Sicherheit oder Frieden – oder doch beides?
Politiker in Geiselhaft der Westbank - Siedler
Ephraim Sneh, Ex-General und prominenter Politiker, war zu Gast beim bund
von Ernst Meir Stern
Obwohl der Termin reichlich kurzfristig angesetzt war, durfte der bund sich über einen gut gefüllten Saal des Gemeindezentrums freuen, als Dr. Ephraim Sneh, langjähriger Korrespondent und Analytiker unserer Zeitung, seinen Vortrag zum Thema „Sicherheit oder Frieden – oder doch beides?“ begann.
© Albert Stern 2012
Dr. Ephraim Sneh, einer der profundesten Kenner der politisch-militärischen Situation in und um Israel, war General, Staatsmann und international anerkannter Sprecher für Israel. Er bekleidete mehrere Ministerämter, darunter jenes des stellvertretenden Verteidigungsministers, und war auch Chef der Zivilverwaltung der israelischen Armee im Westjordanland. Als unermüdlicher Streiter sowohl für die Sicherheit Israels als auch Initiator israelischer Friedensinitiativen lautet sein Credo „Sicherung und Stärkung von Israels Zukunft durch Frieden mit seinen Nachbarn“. Er verschließt anderseits seine Augen nicht vor potentiellen Gefahren. Schon vor 20 Jahren warnte er in der Knesset vor der existenziellen Bedrohung durch iranische Atomwaffen. Derzeit steht er der Partei „Israel Hazaka“ vor und ist Vorsitzender des S. Daniel Abraham Center für strategischen Dialog am Akademischen College in Netanya.
Das Auditorium bekam einen ebenso realistischen wie bedrückenden Überblick über die Situation in Israels Nachbarstaaten sowie der Türkei, wobei Sneh durch Aufzählung vieler Fakten eindrucksvoll darlegte, dass Ägypten und die Türkei derzeit einen innen – und außenpolitischen Kurs verfolgen, mit dem sie als langjährige strategische Partner nicht mehr zur Verfügung stehen und auf längere Sicht ein Gefährdungspotential darstellen. Der Vormarsch radikal-islamistischer Kräfte sei in der gesamten Region im vollen Gang, wobei der Iran und andere Staaten ideologische, politische und militärische Unterstützung leisten.
Als einzige politische Alternative sehe er lediglich eine Initiative Israels zu ehebaldigst wieder aufzunehmenden Gesprächen mit den Machthabern auf der West-Bank, die Sneh, denen er, schon in deren eigenem Interesse, Absichten für eine politische Lösung zubilligt. Im übrigen wäre Israel gut beraten, seine Freunde in Europa wieder zu gewinnen. „Unsere Feinde werden wir ohnehin nie überzeugen können“ …
Dem stünde allerdings die unselige Siedlungspolitik und mangelnder Wille der regierenden Israelischen „Rechten“ im Wege. Die 120.000 Siedler im Westjordanland würden diese in Geiselhaft nehmen und politisch permanent erpressen, da sie ein starkes Wählerpotential bilden. Eine weitere Schwächung der israelischen Position inmitten der immer instabiler werdenden Situation in Nahost bilden die zunehmenden gesellschaftlichen und sozialen Spannungen. Schuld daran sei die unbeirrbar fortgeführte Neoliberale Wirtschaftspolitik von Netanjahu & Co, die einige wenige reiche Familienclans auf Kosten der Bevölkerung bevorzuge. Netanjahu sei ein „Thatcherist“, der in Bezug auf seine Positionen, wäre er Amerikaner, dem rechtesten Flügel der Republikaner zuzuordnen ist.
Er, Sneh, sieht mittel – bis längerfristig keine andere Alternative zu dieser Politik als eine politische Wieder-Zusammenführung der israelischen „Linken“, die derzeit noch hoffnungslos gespalten und zerstritten ist. Wenn er auch ein Bild der gegenwärtigen Situation zeichnete, das keineswegs rosig ist, erntete der Referent langanhaltenden, herzlichen Applaus und musste danach noch zahlreiche Fragen beantworten.
Den Rahmen der Veranstaltung bildete ein einleitendes Kurzreferat unseres Obmanns Robert Sperling, über das Programm sowie die politischen Werte und Grundsätze des bund. Im Hintergrund lief eine Powerpoint-Präsentation, in der Mitglieder unseres Teams vorgestellt wurden. Ergänzend dazu gab es Schautafeln und Flugblätter mit Ideen und Konzepten des BUND SOZIALDEMOKRATISCHER JUDEN – AVODA zur Gemeindearbeit. Abschließend durfte unser Generalsekretär Peter Munk, der die Moderation besorgt hatte, die Gäste zum Buffet bitten, wo sie Dr. Ephraim Sneh weiter mit Fragen belagerten und noch lange angeregt diskutierten.