Tempelvorsteher beflegelten freiwillige Sicherheitskräfte
Skandalöses Verhalten in einer Risikosituation am Jom Kippur
von Ernst Meir Stern
Einem einigermaßen jüdisch erzogenen Juden braucht man die Bedeutung des Jom Kippur nicht zu erklären. Einige honorige Mitglieder des Tempelvorstandes der Synagoge Seitenstettengasse dürften diesbezüglich jedoch gewaltig Nachholbedarf haben. Am Versöhnungstag hielten sie es für notwendig, aus nichtigem Anlass das Sicherheitspersonal auf das gröbste zu beflegeln…
Das Gebet neigte sich dem Ende zu, als in der Seitenstettengasse zwei junge Männer zu randalieren begannen und lauthals antisemitische Parolen grölten. Die alarmierten Sicherheitskräfte der Kultusgemeinde hatten alle Hände voll zu tun, um sie mit Hilfe der Polizei vom unmittelbaren Bereich der Synagoge fernzuhalten. Da alle verfügbaren Kräfte zur Absicherung eingesetzt wurden – man konnte ja zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, ob es sich um eine größere, gezielte Aktion handelte – wurden Türen zur Garderobe der Synagoge nicht, wie Usus, zeitgerecht geöffnet.
Sehr zum Unmut einiger G’ttesdienstbesucher, die es eilig hatten, heim zu kommen. Und in der Folge das Sicherheitspersonal – allesamt Freiwillige – lautstark auf das heftigste beschimpften. Dabei wurden sie auch von einigen Mitgliedern des Tempelvorstandes tatkräftigst unterstützt. Die gut ausgebildeten Sicherheitsleute gingen erfreulicherweise nicht auf die Provokationen ein und verrichteten weiter professionell ihren Dienst. Und nachdem die Risikosituation auf der Straße beseitigt war, durften die Teilnehmer am G’ttesdienst ohne größere Verzögerung heimwärts streben.
Was sich die jungen Leute allerdings gedacht hatten, und wie das ihre Motivation beeinflusst, kann ich mir lebhaft ausmalen, hatte ich doch als Mitglied des Sicherheitsapparates schon ähnliche Erlebnisse. Daher begrüße ich auch die geharnischte Beschwerde des Leiters der Organisationsabteilung an die Adresse des Generalsekretärs. Der wird hoffentlich vor allem jene Mitglieder des Tempelvorstandes zur Räson bringen, die, statt beschwichtigend auf die Unmutsäußerungen zu reagieren, auf peinlichste Weise lediglich für weitere Eskalation der heiklen Situation sorgten.
Gerade sie sollten am besten wissen, was das Sicherheitspersonal, ob nun freiwillig oder professionell, tagaus tagein, und besonders an Feiertagen, für „ihr Haus“ leistet. Oder bedarf es erst wieder einer Blutlache vor dem Eingang, um Gedächtnis und Gewissen aufzufrischen? Vielleicht sollte man sich in der IKG fragen, ob diese Herren ihrer Verantwortung überhaupt noch gewachsen sind? Sich in Grund und Boden zu schämen, (falls überhaupt), reicht noch lange nicht.